Die Internationale der Konservativen. Transnationale Elitenzirkel und private Außenpolitik in Westeuropa seit dem Zweiten Weltkrieg

Dissertationsprojekt von Johannes Großmann, Betreuer: Prof. Dr. Dr. h.c. Rainer Hudemann

Ausgangspunkt des Dissertationsprojektes ist das 1952 auf Initiative des Kaisersohns Otto von Habsburg in Spanien gegründete „Centre Européen de Documentation et d’Information“ (CEDI). Unter dem Dach des CEDI sollten verschiedene christlich-konservative Gruppen zusammengeführt werden, die vor dem Hintergrund des Wiederaufbaus, des einsetzenden Kalten Krieges und der beginnenden Europäischen Integration in Westeuropa entstanden waren. Bald schon entwickelte sich der anfängliche „Freundeskreis“, kaum wahrgenommen von der Öffentlichkeit, zu einem bedeutenden transnationalen Kontaktnetz. Die alljährlichen Kongresse des CEDI im spanischen Escorial führten konservative Politiker und Wirtschaftsleute, Vertreter des katholischen Hochadels, Wissenschaftler, Literaten und Militärs aus verschiedenen westeuropäischen Ländern zusammen.

Dem außenpolitisch isolierten Franco-Regime diente das CEDI als Forum einer intensiven Substitutionsdiplomatie. Der spanischen Sektion des „Dokumentationszentrums“ gehörten folglich mehrere Minister und hochrangige Funktionäre an. Daneben war die deutsche Sektion besonders aktiv, deren Mitglieder ursprünglich aus dem Umfeld der „Abendländischen Akademie“ stammten. Ab Mitte der fünfziger Jahre nutzten außerdem die französischen Gaullisten das CEDI gezielt zur Vermittlung ihrer europapolitischen Vorstellungen. Weitere Sektionen gab es in Belgien und Österreich, später auch in Großbritannien, Liechtenstein, Griechenland, der Schweiz, Schweden, Portugal und Finnland. So lag der Wert des CEDI aus diplomatiegeschichtlicher Perspektive vor allem an der gleichberechtigten Teilnahme von Ländern, die sonst nicht in den europäischen Institutionen vertreten waren.

Ähnlich wie das CEDI aufgebaut und politisch orientiert war das „Comité International de Défense de la Civilisation Chrétienne“. Diese Organisation hatte die antikommunistische Propagandaarbeit durch Publikationen, Schulungen und Konferenzen zu ihrem Schwerpunkt erklärt und unterschied sich durch ihren politischen Aktionismus vom eher elitären und die Öffentlichkeit scheuenden „Dokumentationszentrum“. War die Gründung des „Internationalen Comités“ im Jahr 1949 noch auf eine französisch-belgische Initiative zurückgegangen, so übernahm seit Mitte der fünfziger Jahre, von mehreren Bundesministerien gefördert, die deutsche Sektion eine eindeutige Führungsrolle. Sie präsentierte sich als semi-offiziellen Einrichtung für staatserhaltende politische Bildungsarbeit und sah ihre Aufgabe nicht zuletzt in der „Aufklärung“ des westeuropäischen Auslands über die Lage im geteilten Deutschland und in der „Frontstadt“ Westberlin.

Ab den sechziger Jahren begannen sich die Voraussetzungen und Grundlagen der internationalen politischen Kommunikationsstrukturen nachhaltig zu wandeln. Neben einem außenpolitischen Strategie- und Diskurswechsel und den ihm zugrunde liegenden tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel veränderten sich vor allem die institutionellen und technischen Voraussetzungen internationaler Politik. Anders als dem „Internationalen Comité“, dessen deutsche Sektion nach dem Wegfall staatlicher Unterstützung Anfang der siebziger Jahre ihre Arbeit einstellen musste, gelang es den Mitgliedern des CEDI, ihre Handlungsformen und Organisationsstrukturen an die gewandelten internationalen Kommunikationsstrukturen anzupassen. Elitäre Formen des Machterhalts wurden dabei um öffentlichkeitswirksame Strategien ergänzt, der ursprüngliche Personenkreis nun auch um transatlantische Kontakte erweitert.

Am Beispiel des „Institut d’Études Politiques“, das von führenden Protagonisten des CEDI 1959 in Liechtenstein gegründet wurde, lässt sich verfolgen, wie die ursprüngliche Reserviertheit gegenüber liberalen Grundwerten in ein offenes Bekenntnis zu wirtschaftsliberalen Überzeugungen umschlug. Gleichzeitig erfolgte auf gesellschaftlicher Ebene ein Abrücken vom ehemals christlich begründeten Wertehorizont hin zu utilitaristischen Denkmustern, die in erster Linie auf die Freiheit des Einzelnen Bezug nahmen. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch bei einem weiteren politischen Forum, dem sogenannten „Cercle“ verfolgen. Mehrere Mitglieder des CEDI nahmen regelmäßig an den streng geheimen Tagungen dieses Kreises teil, der namhafte konservative Politiker und Manger aus Europa und den USA zusammenführte.

Die Dissertation wurde im Januar 2012 verteidigt.

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