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Marcus Hahn: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956–1970. Regionale Politik zwischen Eingliederung in die Bundesrepublik Deutschland und Kohlekrise, Saarbrücken (Merziger Druckerei und Verlag) 1999, 476 S. (=Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung, Bd. 36), 29 EUR, ISBN 3-923754-86-8.

Nach den hektischen Wochen vor dem Referendum vom 23. Oktober 1955 stand zu erwarten, dass die Geschichte des Saarlandes in ruhigere Fahrwasser führen würde. Unbegründet waren derartige Hoffnungen nicht, hatte doch die klare Ablehnung des europäischen Status für das Saarland einen Konflikt gelöst, der in den vorangegangenen Jahren im Saarland wie auf internationaler Ebene für heftige Auseinandersetzungen gesorgt hatte. Vertrauen in eine positive Zukunft konnte auch auf der in voller Blüte stehenden Montanindustrie begründet werden, die vielen als Grundlage der regionalen Prosperität galt. Tatsächlich kam vieles anders, traten neue und unerwartete Schwierigkeiten auf. Schon mit der Eingliederung in die Bundesrepublik waren viele Enttäuschungen verbunden; noch größere Verunsicherungen riefen die 1958 einsetzenden Probleme im Bergbau hervor. Konsumentenproteste, Bergarbeiterstreiks und eine in der Wirtschaftskrise der Jahre 1966/67 erstmals wieder spürbar werdende Arbeitslosigkeit waren die Folge.

Die vorliegende Arbeit geht von der These aus, dass diese Krisenerscheinungen als Ausdruck eines doppelten Strukturwandels zu verstehen sind. Die Veränderung der politischen Rahmenbedingungen, die die Umwandlung des teilautonomen Saarstates in ein Bundesland mit sich brachte, und die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen des sektoralen Strukturwandels in der Energiewirtschaft beeinflussten sich gegenseitig. Dadurch wurde der regionale Strukturwandel in einem komplexen Prozess zum Problem der Landespolitik.

In diesem Prozess blieb viel Raum für saarländische Sonderlösungen. Die neuen Anforderungen an Politik wurden früh erkannt und intensiv diskutiert. Da die Einseitigkeit der saarländischen Wirtschaftsstruktur seit Jahren bereits ein zentrales Problem darstellte, standen ebenso differenzierte wie wirksame regionalpolitische Instrumente zur Verfügung. Über den Umfang der notwendigen Anpassungen konnte aber ebenso wenig Einigkeit hergestellt werden wie über die Tauglichkeit innovativer Konzepte zur Umstrukturierung. Zudem begrenzten die immer größer werdenden Finanzprobleme der Öffentlichen Hand die Möglichkeiten der Politik. Daher setzten sich nicht selten Kräfte durch, die den ohnehin schon schwierigen wirtschaftlichen Anpassungsprozess nicht noch mit politischen Risiken belasten wollten.

Obwohl die scharfe Kluft zwischen Ja- und Nein-Sagern bereits früh durch den Übergang zu kooperativem politischem Verhalten überwunden werden konnte, nahm die Eingliederung unerwartet viel Zeit in Anspruch, bis Ende der 60er Jahre eine vollwertige Regionalpolitik bundesdeutschen Typs etabliert werden konnte.


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