Grenzüberschreitende Erinnerung

Die Diskussion über kollektives Gedächtnis, Erinnerungskultur und Erinnerungsräume hat seit den neuziger Jahren sowohl in der Wissenschaft als auch in der breiteren internationalen Öffentlichkeit intensiven Widerhall gefunden. Angestoßen von den Überlegungen Jan und Aleida Assmanns und nachhaltig belebt durch Pierre Noras Konzept der Erinnerungsorte, das von Étienne François und Hagen Schulze für die deutsche Forschung fruchtbar gemacht werden konnte, hat sich Erinnerungsforschung inzwischen als wichtiger Bereich der Geschichtswissenschaft etabliert.

Im Rahmen internationaler Wissenschaftskooperation entwickelten Historiker und Vertreter anderer geisteswissenschaftlicher Fachrichtungen, anknüpfend an ihre Untersuchungen zu den Urbanisierungsprozessen in Europa und am Beispiel der europäischen Kernregion Saar-Lor-Lux, ein Konzept, das explizit auf die übernationale, grenzüberschreitende Ebene von Erinnerung verweisen und die bisherige Forschung damit um eine wesentliche Dimension erweitern sollte.

Anders als bei Pierre Nora werden „Orte der Erinnerung“ hier im ursprünglichen, wörtlichen Sinne verstanden. So geht es in erster Linie um äußerlich erkennbare, materielle Stätten in Architektur und Landschaft, in denen Spuren grenzüberschreitender Strukturen und Erfahrungen in Vergangenheit und Gegenwart sichtbar werden. Der Anspruch des Projektes ist also einerseits insofern bescheidener, als manche Schichten kollektiver Erinnerung hier ausgeblendet oder nur gestreift werden. Andererseits – und hier führt der Ansatz weiter als seine Vorläufer – geht es um die Loslösung von der staats- oder kulturnationalen Ebene und um das Auffinden von äußerlich sichtbaren Spuren der oft vielschichtigen Erfahrungen in einer exemplarischen Grenzregion. Dadurch verschiebt sich der Fokus auf Überlagerungs- und Vernetzungsvorgänge sowie auf das ständige Spannungsverhältnis zwischen nationaler und grenzüberschreitender Erinnerungskultur.

„Stätten der Erinnerung“ müssen dabei nicht zwingend im aktiven, aktuellen Gedächtnis präsent sein, sondern können gerade auch zu potentiellen Auslösern aktiven Erinnerns werden. Vergessen ist ein integraler Bestandteil des Erinnerns und spiegelt dadurch den Wandel von Erinnerungsformen wider. Gerade in einem so konfliktreichen Grenzraum kann bewusstes Vergessen auch zum Instrument der Abgrenzung vom anderen werden. Deshalb soll gerade auch ein Bewusstsein geweckt werden für das vielfältige und oft komplizierte Erinnerungspotential von unbekannten und vergessenen Stätten, die grenzüberschreitende Vernetzungen und Konflikte symbolisieren.

Die wichtigsten Ansätze und Überlegungen zum Bereich der grenzüberschreitenden Erinnerung wurden in Form einer Auswahl von rund 200 Beiträgen mehrerer deutscher, französischer und luxemburgischer Forscher aus unterschiedlichen Fachrichtungen in der von Rainer Hudemann herausgegebenen Online-Publikation „Memotransfront – Stätten grenzüberschreitender Erinnerung“ zusammengefasst. Das Forschungsprojekt zu den Evakuierungen im deutsch-französischen Grenzgebiet während des Zweiten Weltkrieges knüpft durch seine erinnerungshistorische Dimension direkt an diese Forschungsergebnisse an.


Deutschland und Frankreich im 19. und 20. Jahrhundert
Urbanisierungsprozesse in Europa
Französische Besatzung in Deutschland nach 1945
Die Saarregion im 20. Jahrhundert
Grenzüberschreitende Erinnerung
Evakuierungen im deutsch-französischen Grenzgebiet während des Zweiten Weltkrieges
Behinderten-, Kranken- und Säuglingsmorde in Belarus 1941–1944


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